Veszprém
Baileyné Patakfalvi Emese
„két szép nagy alma
egy sárgarépa
meg néhány banán"
Falcsik Mari
Spanyolnátha, 2010 tél
Baileyné Patakfalvi Emese
SATZ-RONDO
in den Kreisen von György Homonna (im Weiteren: H.)
Vass Tibor szövege német nyelven
Nun trink’ ich denn in Mályi jenes Stamperl, das ich seit einiger Zeit dem Organismus schuldig bin, und es gerät dann nicht nur in den Organismus, sondern auch in dieses Schreiben hier, sagt die Gattin, ich spreche nicht von meiner, sondern es geht um die von H., der Organismus ist aber meiner, und nun auch das Stamperl, ich habe es ’runtergekippt, verdienterweise organisiert es in meinen Gelenken, ich habe seit mehr als einem Jahr nicht einen Schluck getrunken, nicht einmal Aprikosen, kein ernster Entschluß, wie ab jetzt oder bis jetzt, weil ich’s davor satt hatte und für zuviel hielt oder auch für zu wenig, diese Organisierung kam einfach und fertig, wie jetzt auch dieses Trinken kommt, nichts Ernstes, die erste Runde eben, überzeugend ist das bezirzende Eingreifen der Gattin, wie sehr sich der Gatte auf mich einstellte, ich spreche von H., wir trinken zum ersten Mal aus Gläsern, die er von seinem Vater bekam, H. hat sie für diesen Anlaß geputzt, komisch mag es nun dem Glas, denke ich, sein, und komisch mag es auch dem Magen sein, wenn ihm mehr als ein Jahr lang kein Stamperl gereicht wird, na gut, eher etwa anderthalb, ersteres ist authentischer, das zweite ist mehr laut Gattin, ich trinke es, mal sehen, was für komische Dinge es hervorruft;
Ich weile bei H. am Silvestertag, ich habe schon 2001 ein paar Sachen aus seinem Zimmer gesehen, nicht so, dass ich aus seinem Fenster hinausgeschaut habe, ich bin zum ersten Mal bei H., aber ich sah schon ein paar Sachen aus seinem Zimmer, als ich seine Ausstellung in der Miskolcer Galerie eröffnete, zum Beispiel brachte er seine Tür mit, jetzt ist die Tür hier, zu Silvester sehe ich sie an ihrem gewöhnlichen Platz, beim Stamperltrinken bietet sich eine ausgezeichnete Sicht darauf, noch dazu ist Silvester kein grauer Alltag, ja sogar darauf folgt kein grauer Wochentag, es mag denkwürdig sein, dass ich gerade an einem dieser nicht grauen Wochentage erneut das Stamperlglas zu meinem Mund führe, gerade in der Nähe einer H.-Tür, das Stamperl fällt nun mit der Tür in meinen Magen, ich werde das als denkwürdiges Hereinplatzen in Erinnerung behalten, ich mag zu-Munde-geführte Erinnerungen und auch die Phrase von der schnelllebigen Welt, sie halten mich in dieser schnelllebigen Welt am Leben, es ist gut, sie wachzurufen, mit großer Wahrscheinlichkeit stößt einem der klare Obstbranntwein wieder auf, ich spreche von mir und vom Aufstoßen, es ist, als bisse man ins Obstwäldchen hinein, der Geschmack strömt im Kreise rund herum, die zweite Runde, ich will, dass der Geschmack immer ein solcher sein wird, wenn ich mir ein Stamperl gönne, dazu sollte man aber sehr wenige Runden trinken, man muss den Geschmack immer als solchen behalten können, nichts Ernstes, es wird möglicherweise nicht schwer, ich trank ja nicht viel, nur zur falschen Zeit z.B., an grauen Wochentagen, auf nüchternen Magen, weil ich das Feuer mochte, heute mag ich das Feuer nicht mehr, das Feuer tut mir im Magen weh, auch ohne Stamperl;
H. wird nächstes Jahr 50, ab morgen sag’ ich dieses Jahr, komisch sind diese Zeitbegriffe, man ruft ein Dieses-Jahr oder ein Nächstes-Jahr wach, der klare Zeitbranntwein stößt einem auf, und es ist, als bisse man in ein Zeitwäldchen, der Zeitgeschmack strömt im Kreise herum, ein Teufelskreis, ich will, dass es immer ein solcher Zeitgeschmack sein wird, wenn ich mir Silvester gönne, dazu muss man aber in dieser schnelllebigen Welt sehr wenige Silvester feiern, man sollte den Geschmack immer als solchen behalten können, es wird nicht schwer, sich mit Zähnen und Klauen an ihn zu klammen, ich feiere nicht oft Silvester, mit H. verkehren tu’ ich ja auch nicht seit langem, ca. seit 15 Jahren, der H.-Zeit-geschmack ist anderthalb Jahrzehnte alt, ein H.-Bild habe ich aber erst seit 2001, der Bild-geschmack ist nicht viel älter als ein halbes Jahrzehnt, 2001 bekam ich von H. ein Bild, wir wissen ja, die Ausstellung;
mein Sohn kommt mit Freude nach Mályi, um die Kreise von H. zu stören, ein zehnjähriger Zeitgeschmack, ich spreche von meinem Sohn, seine erste Liebe wohnt hier, womöglich gehen wir in der Nähe vorbei, nicht in der von Mályi, er spielt Kicker mit den H.-Söhnen und er ist ganz gut am Spieltisch, er denkt inzwischen an seine Liebe und wartet auf den ersten Schultag nach den Winterfereien, um seine Liebe endlich sehen zu können, meine Liebe unterhält sich mit der H.-Gattin im H.-Wohnzimmer, ich und H. schauen uns die H.-Bilder an, ich sitze, er blättert, das ist sein Aufgabenkreis für heute, kein grauer Wochentag, ich vermag aus einem Meter Abstand etwa eine Minute lang die neuen H.-Bilder zu betrachten, sie sind völlig anders als 2001, freilich sind sie völlig anders, im Laufe von so viel Zeit wachsen die Söhne des Mannes mit dem feinfühligen Herzen heran, es interessieren ihn andere Sachen, oder dieselben tiefer, oder dieselben oberflächlicher, bei H. mag von Letzterem die Rede sein, sehr viel Gelb wird die Druckerei bei seinem Katalog verwenden, vielleicht wird die Ehre nicht gelbbefleckt, wenn es sich herausstellt, dass in den letzten Jahren in Mályi das Gelbfieber infolge des Augenunfalls von H. ausbrach, seine Sichtweise änderte sich grundlegend, und es ist gut, zu wissen, dass der Gelbe Fleck der Ort des sog. zentralen Scharfblicks ist, und da ich Kreise auf fast allen seiner Bilder, tierisch große Kreise in den Bildmitten sehe, und vom Stamperl immer gemütlicher werde, verweile ich bei dem Ovalen und Jovialen, nichts Ernstes, ich mache Fesztyval1, genieße die H.-Kreis-Gemälde, das Stamperl soll jetzt ópuszta-szer2 sein, es schleudert mich heim, sähe ich eins-zwei von den Rundbildern, wäre ich ärgerlich, aber es sind nicht eins oder zwei, so bin ich nicht ärgerlich, noch dazu ist im Panoramabild meine nora, Nóra, die sich mit der H.-gattin im H.-Wohnzimmer unterhält, wir trinken die zweite Runde;
es lebe Stamperl H., das leider nicht Sankt H. ist, aber einen schon selig spricht, homok3 ist ins
H.-Auge geraten, homók4 im Wind, der Boden von Kisvárda5 ist in die Bilder hineingeweht worden, natürlich ist es kein Zufall, homok fängt auch mit homo an, und das „k“ am Ende des Wortes bedeutet sehr viel, offenbar geht es um sehr viele homo, und wenn es um den Blick geht, ja den zentralen scharfen, dann ist homokszem6 ein schönes Wort, H. wird nächstes Jahr 50, mit großer Wahrscheinlichkeit taucht freilich das Sanduhrbild7 auf, da sitze ich nun in meinem Zimmer, traurig, einsam, und denke an die gute Vergangenheit;
Das Heimatland in der Gegend von Kisvárda wird mit großer Wahrscheinlichkeit Heimatsand genannt, weil der Boden statt Erde Sand ist, ich, unwissender Sandbodengebundener, verstand dies lange bei meinen Großeltern in Monyhatanya nicht, ich weiß eben nicht, ob ich es jetzt verstehe, das ganze Monyhatanya war ein großer Sandkasten, also so viel homok;
H. blättert in seinen Bildern, es fällt auf, dass er früher das Weiße gemalt hat, jetzt läßt er es nur so, aber nicht überall, er sagt, es gibt Stellen, wo er Weiß verwendet, ich sehe eine Tube, Tóth-Menyhért-Weiß8, ich habe noch nie Tóth-Menyhért-Weiß gesehen, Titanweiß und Zinkweiß hatte ich schon in den Händen, ob Tóth Menyhért gewußt hat, bevor er seine sandige Laufbahn beendete, dass nach ihm eine Farbe benannt wurde/wird, womöglich nicht;
na gut, laß uns uns erleichtern, wie auch meine Katze sich erleichtert, es soll ein grauer Wochentag sein, Morgendämmerung, die Landschaft soll in Tóth-Menyhért-Weiß sein, meine bessere Hälfte soll zu den sandigen Landschaften aufbrechen, nach Nyíregyháza, um Prüfungen abzulegen, sie soll mich im Morgengrauen damit wecken, dass Wasser vom Dachboden tropft, sie fragt, was es sein könnte, ich weiß es nicht, vielleicht werden wir wegen des Schneetauens durchnäßt, aber nein, mein zentraler Scharfblick funktioniert, so schließe ich dies fast sofort aus, das Wasser tropft nicht an so einem Ort, dass man auf Durchnässung schließen kann, es könnte ’was anderes sein, aber was dann zum Teufel, wir halten ja nichts auf dem Dachboden, von wo irgendwas tropfen könnte, höchstens ein paar alte Texte von mir, aber von ihnen tropft kein Wasser, unser Dach ist gut, da wirft die Gattin ein, ich rede von meiner, dass dann wohl die Katze Pipi gemacht hat, unsere Katze geht nämlich oft auf den Dachboden, ich habe ein Loch zwischen Vordach und Dach nicht gestopft, der Hohe Rat der Familie hatte entschieden, dass wir an der Stelle des Zusammentreffens des Vordaches mit dem großen Dach die Katze auf den Dachboden gehen lassen, so wird es mit großer Wahrscheinlichkeit keine Nagetiere z.B. Mäuse auf dem Dachboden geben, wir dachten aber nicht, dass sich unsere Katze womöglich einen Dreck drum schert, aber keine große Sache, nichts Ernstes, ich gehe auf den Dachboden, wische die Katzenpisse auf, ich fummele in der Dunkelheit herum, würde gern den Riss zwischen Vordach und großem Dach stopfen, ich trete auf etwas, was ein Geräusch macht, als wäre ich auf ein Bild getreten, tatsächlich trat ich nun auf ein Bild, schon wieder eine mail art, ärgere ich mich, die mail art fallen aus der Mappe heraus, diese hier ist auch ’rausgefallen, ich schaue sie mir näher an, nicht die Mappe, ich bin gerade auf eine H.-mail art getreten, diese H.-mail art hätte ich zu Silvester H. bringen sollen, ich hatte versprochen, ich würde sie suchen, aber ich hatte eine andere gefunden, er will sie ausstellen, nicht die andere, auch nicht die Gefundene, ich sagte ihm, ich finde sie nicht, ich brachte statt deren eine andere, eine andere H., H. schickt welche regelmäßig auf meine mail art Ausschreibungen, aber damit will ich nicht sagen, dass mein Dachboden voll von mail art von H. ist, bzw. dass ich mit ihnen die Risse stopfe, ein Glück, dass H. diese 1999 geschickte mail art in Folie gewickelt hatte, jetzt wäre sie mit großer Wahrscheinlichkeit katzenpissedurchtränkt, so wird sie es nur ein bisschen durch meine Hand, ich werde sie abwischen, ich rede auch von meiner Hand;
es wird gegen Ende des Satz-Rondos eine Stelle geben, die nicht ins Holländische übersetzt zu werden braucht, weil sie auf Holländisch ist, man braucht sie eigentlich in keine Sprache zu übersetzen, ein Holländisch-nicht-Verstehender sollte nicht erfahren wollen, was sie genau bedeutet, es soll eine Stelle geben, die Holländischsprechende mit großer Wahrschenlichkeit verstehen können, es wird deshalb so, weil es auch in den Homonna-Bildern mit großer Wahrscheinlichkeit ein paar solche Stellen gibt, Luisteraars van Classic FM worden via een unieke samenweking met Het Nederlandsche Muntenhuis in de gelegenheid gesteld om in het bezit te komen van deze herdenkingsmunt, ich höre seit dem Sommer regelmäßig Radio im Internet, seitdem ich in den Niederlanden war, habe ich mir einen holländischen Rundfunksender angewöhnt, aber ich habe mir auch einen englischen angewöhnt, in England war ich noch nie, und es soll gerecht sein, es wird eine Stelle geben, die mit großer Wahrscheinlichkeit Englischkönnende (besser) verstehen können, aber auch die braucht man in keine andere Sprache zu übersetzen, wie gut, dass für die Töne auch kein Dolmetscher nötig ist, wo auch immer in der Welt man diese Rundfunksender hört, braucht man dazu keinen Dolmetscher, mit großer Wahrscheinlichkeit gibt es solche Stellen in Musikwerken, die zum Beispiel nur die Dvorzak-oder Sibelius-Muttersprache-Könnenden (besser) verstehen können, The Kansas City Symphony is suing the Missouri State Legislature, alleging that it has shortchanged the Missouri Arts Council Trust Fund by $83 million since 1987, wie auch von den H.-Bildern diejenigen mehr verstehen, die in Mályi waren, noch mehr diejenigen, die bei H. in Mályi waren, ich rede davon, dass einzelne Details der H.-Bilder von H.-Könnenden (besser) verstanden werden können, Gleichzeitig präsentieren sie damit auch die erfolgreichsten ungarischen Musikgruppen der letzten Jahre, und dies ist offenbar wegen der Übersetzung ins Lateinische:-), ich laufe noch eine Runde, sein Zimmer ist nicht groß, ich rede vom
H.-Zimmer, wir alle passen da nicht ’rein, und er würde auch nicht alle einladen, das Arbeitszimmer ist ja doch ein Heiligtum, wenigen ist es vergönnt, das Tóth-Menyhért-Weiße abtasten zu dürfen, aber sicherlich wird auch die Tóth-Menyhért-Tube fotografiert werden, in dem Ausstellungsraum wird es laut H. eine panoramabildähnliche Fotoreihe geben, meine Nóra wird auch drin sein, freilich in Gedanken, die Ausstellungsbesucher können Teile seines Zimmers sehen, man braucht dazu keinen Dolmetscher, in seinen Details verstehen es sowieso nur H., die Gattin und die H.-Söhne;
ich schaue auf die mail art von H., Kisvárda, 29. 11. 1999, ein grauer Wochentag, wunderschöne Poststempel, einer berührt das runde Blatt einer Uhr, Homonna hat Sándor Bródys Novelle Rembrandt verkauft seine Leiche rückwärts auf eine tierisch große Postkarte geschrieben, erst jetzt wird mir verblüffend klar, was für eine Arbeit das ist, was für eine Verbeugung vor was für Meistern, was für ein Zeitgeschmack, als bisse man in den toten Rembrandt, ich gehe, ich lese diesen Bródy, nicht rückwärts, ich mache meine Ehrenrunden, aber davor gucke ich noch, was die Uhr auf der H. mail art zeigt, sicherlich ein Zufall, es ist genau die Zeit, die sie in dieser Minute, wenn sie leben würde, eigentlich, gerade zeigen müsste.
Anmerkungen des Übersetzers
1 Anspielung auf den ungarischen Künstler Árpád Feszty (1856-1914), Maler des 120 Meter langen, kreisförmigen Panoramabildes im Nationalen Historischen Gedenkpark von Ópusztaszer, das Episoden der Landnahme durch die ungarischen Volksstämme im Jahre 896 darstellt
2 ung. szer = Mittel (vergleiche Fußnote 1)
3 ung. homok = Sand
4 Homo sapiens, evtl. Anspielung auf den Namen des Künstlers
5 Stadt im Nordosten von Ungarn, wo der Künstler seine Kindheit und Jugend verbracht hat
6 ung. homokszem = Sandkorn (vergleiche: homok = Sand, szem = Auge)
7 Anspielung auf das Lied Sanduhr, einen der populärsten Schlager in Ungarn in den 70-er Jahren, das anfängt wie „Ich sitze in meinem Zimmer, traurig, einsam und denke an die schmerzhafte Vergangenheit…“
8 Menyhért Tóth (1904-1980), ungarischer Maler